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Die Erzählungen von Karina Lotz sind sowohl dramatisch als auch in sich gekehrt und pulsieren stets mitten aus dem Leben heraus. Große Themen werden angesprochen: Freiheit, Liebe, Verlust, Zeit. Über allem aber erstrahlt immer eine große Leidenschaft für das geschriebene Wort. WortRaum berührt tief und bewegt. (Niels-Johannes Günther, Stuttgart)
Größe: 12.5 x 19 cm
Seiten: 108
Autor | Karina Lotz |
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Untertitel | Erzählungen |
Cover | Paperback |
ISBN | 978-3-946112-00-6 |
Seiten | 108 |
Veröffentlicht | 15. November 2015 |
Verleger | edition federleicht |
Auflage |
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Dana Polz –
WORTRAUM – Rosa ist das neue Tiefseeblau.
Wortraum erschlägt. Hätten die Farben Rosa und Pink ein Kind gezeugt, so würde deren pubertäre Tochter den Einband des von Karina Lotz verfassten und veröffentlichten Erzählbandes schmücken. Wem dieses Buch ins Auge fällt – dünn, grell, dessen verschobener, in sich zerpflückter Titel rein optisch unweigerlich an Kindergeburtstage oder amerikanisches Kaugummi erinnert – erwartet poppige, grelle Geschichten. Er erwartet Großstadtfrauen Anfang dreißig, blondgefärbte Sekretärinnen, die ihren Alltag -koste es, was es wolle- auf High-Heels bestreiten und ihre Bildung nicht etwa aus der BILD, sondern aus einschlägigen Modemagazinen beziehen. Er erwartet folglich, Einblick in das lächerliche, mädchenhafte, anödend naive Gefühlsleben einer solch – selbstverständlich – schmucken Großstadtfrau zu erhalten, das sich auf die drei existenziellen Themen Louis Vuitton, Traumprinz und Blümchensex beschränkt, traditionell begleitet vom attraktiven, besten, aber leider homosexuellen Freund (der sich ansonsten als Traumprinz perfekt anbieten und dem Trauerspiel um einiges rascher ein Ende bereiten könnte) und der noch attraktiveren, heimlich beneideten besten Freundin, mit der sich der vermeintliche Traumprinz wohl im Stillen einen feucht-fröhlichen Großstadtdreier wünscht – vorausgesetzt, er wird vor lauter Entsetzen über die Vorstellung einer Zukunft mit Großstadtblondchen nicht augenblicklich selbst schwul.
Wer Literatur dieser Art bevorzugt, legt das Buch besser schnell wieder hin. Wortraum ist nichts dergleichen, nicht grell, nicht poppig, es gibt keine High-Heels, keine Modemagazine, und Louis Vuitton bleibt einem (Herr im Himmel!) ebenfalls erspart. Was einem nicht erspart bleibt, sind die Schicksale jener, in deren Geschichten irgendwer den Resetknopf gedrückt zu haben scheint, auf brutale, gleichgültige und doch so beherzte Weise, wie nur das Leben selbst es vermag. Oder aber Karina Lotz in Wortraum.
Alles auf Anfang. So hätte der Titel des 99 Seiten umfassenden Bandes ebenfalls lauten können und statt der explosionsartigen Verschmelzung derbster Pink- und Rosatöne hätte dem glatten kompromisslosen Einband auch ein Blau ausgezeichnet gestanden, ein Tiefseeblau. Tiefsee erscheint als einzelner Begriff gerade gut genug, um zu beschreiben, was sich hinter Wortraum tatsächlich verbirgt. Wortraum ist Schwere und Schwerelosigkeit in einem, als würde man mir nichts, dir nichts in das Herz eines Ozeans katapultiert, der kein Anfang und kein Ende kennt. Man schwebt und steckt doch fest, über einem: unvorstellbare Massen an Wasser, unter einem: alles verschlingende Tiefen, und für einen kurzen Augenblick verspürt man die Anflüge klaustrophobischer Enge und nie gekannter Freiheit gleichermaßen, bevor der dort herrschende Druck den Schädel zerbersten lässt, noch ehe man ertrinkt.
Lotz schreibt nicht, Lotz malt. Sie malt ihre Geschichten, wie ein Kind es vielleicht tun würde, natürlich, verträumt, spielerisch. Sie braucht keinen Pinsel, sie greift gleich zu den Fingerfarben. Ihren Figuren widerfährt das Unbeschreibliche, der Schlag, der Einschnitt, vor dem wir uns alle fürchten („Namenlos“; „Versteinert“; „Ein unerwarteter Fund“), das Zurückgeworfenwerden an jenen Ausgangspunkt, ab dem alles schlechter und alles besser werden kann, sie durchleben den sisyphus´schen Wahnsinn in seiner ursprünglichsten Form („Versteinert“; „Gebrochenes Herz“; „Die Alterswacht“; „Doppelpack“), sie lieben bis zur völligen Selbstaufgabe und darüber hinaus, nur um verlassen zu werden („Symphonie. Ein Märchen“) oder schließen Pakte mit dem Tod selbst („Der Pakt“). Tiefseeblau, eine solche Farbnuance wäre dem Inhalt wirklich gerecht geworden.
Er ist aber nicht tiefseeblau, der Einband, muss man sich harsch ermahnen, um der eigenen Irritation endlich Herr zu werden. Er ist großstadt-high-heel-kindergeburtstagskaugummi-rosa. Er ist louis-vuitton-sekretärinnen-traumprinz-pink. Er ist prosa (PUNKT!), und das eben nicht aus einer instinktiven Laune der Autorin heraus, nein, er ist Ausdruck dieser tänzelnden Leichtigkeit, die über allen Geschichten, ob tragisch, ob gut ausgehend, zu schweben scheint. Er spiegelt das Kind mit den Fingerfarben wieder. Wortraum benötigt kein tiefseeblau, weil Wortraum nicht den Anspruch hat, eines dieser literarischen Klagelieder voller larmoyantem Weltschmerz zu werden. Wortraum ist ein glücklicher, bunter, bejahender Schrei hinsichtlich all der schrecklichen Seiten, die das Leben zu bieten hat, es ist ein „Ja-sagen“ zum Scheitern, denn Scheitern ist so natürlich und so herrlich wie das Bild, das das Kind mit seinen Fingerfarben Bilder malt, es ist ein „Ja-sagen“ zum Versagen, in einer Zeit, in der jeder Gewinner sein will, es aber nur Verlierer geben kann.
Dana Polz
Im Juli 2016